Technik an Bord

Spurhalteassistent, Abbiegehilfe, Kameras und mehr – so ein Truck setzt mittlerweile auf jede Menge Technologie. Fahrer Rainer Brenker schaut sich die Technik an Bord in diesem Gastbeitrag genauer an und erzählt von seinen Erfahrungen.
Ich fahre ziemlich viele unterschiedliche Touren für meine Firma, und, da ich auch bei den Subunternehmern aushelfe, ziemlich viele verschiedene Fahrzeuge. Dabei kommt es gelegentlich zu überraschenden Begegnungen.
Neulich war es ein noch junger Actros von Daimler, mit zahlreichen Features aus dem aktuellen Modelljahr. Neueste Version des Notbremsassistenten, Spurhalteassistent, Abbiegeassistent, Kameras für den rückwärtigen Verkehrsraum anstelle der üblichen Spiegel, adaptiver Tempomat, zwei Bildschirme statt analoger Instrumente.
Die Technik ist nicht immer zugänglich
Sämtliche Kabinen-Funktionen sind, bis auf die redundanten Schalter für Licht und Fahrniveau der Hinterachse, in den Bildschirm integriert. Für die Übersichtlichkeit gibt es nur wenige Hauptgruppen, vieles steckt in Untermenüs. Ein ziemliches Gefummel bei der ersten Begegnung. Vor allem, wenn der Stammpilot muttersprachenbedingt das polnische Sprachmenü eingestellt hat und es meist nur Sprachhinweise, aber keine unterstützenden Symbole in der Bedienoberfläche gibt. Meine Abfahrt hat sich jedenfalls deutlich verzögert an diesem Tag. Auch auch durch den Umstand, dass zwar eine Bluetooth-Freisprecheinrichtung an Bord war, die mein Android-Smartphone aber nicht erkennen mochte. Und das findet man immer noch häufig bei den kleinen Helferlein, die den Betrieb des Fahrzeugs eigentlich sicherer und mindestens mal in Einklang mit der STVO möglich machen sollen.
Ebenso ärgerlich: Kurzbeschreibungen zur Kabinenbedienung finden sich bestenfalls in telefonbuchdicken Bordbüchern, die meist irgendwo in den Staufächern schlummern. Schaublätter als Handreichung für die wichtigsten Sicherheitsfeatures wären ein echter Gewinn. Meine Erfahrung ist, dass die Kollegen nur das wirklich benutzen, das sie von Beginn an intuitiv finden können. Ich kenne Kollegen, die haben beispielsweise noch nie einen Retarder benutzt.
Es ist aber nicht wirklich klug und bringt für die Sicherheit auf der Straße nichts, solche Funktionen nur spazieren zu fahren. Die allein in bunten Verkaufsprospekten zu zeigen oder in Youtube-Filmchen zu präsentieren erreicht längst nicht alle, die es wissen sollten. Insofern ist es nicht selten, dass sich – wie in meinem Fall – manche Dinge eher zufällig während der Fahrt entfalten.
Ganz anders als auf dem sparsam animierten Bildschirm für die Kabinenfunktionen entfaltet sich auf dem Bildschirm hinter dem Lenkrad eine üppige und doch übersichtliche Anzeige der wichtigsten Informationen auf der Fahrt. Und zwar meist so, dass man eben nicht mehr durch viele Menüs hindurchklicken muss. Das ist an dieser Stelle nachvollziehbar.
Das Lenkrad ist in üblicher Weise mit zahlreichen Funktionstasten bestückt. Während der Tempomat über Drücktasten relativ logisch zu bedienen ist, hat links Wischen das Drücken abgelöst – obwohl die Bedienoberfläche in gleicher Optik daherkommt und wie eine Kreuzwippe mit einem OK-Knopf in der Mitte erscheint. Dort sind unterschiedliche Unterfunktionen und Anzeigen aufzurufen, die man allerdings wieder ganz woanders bestätigen muss, will man sie dauerhaft im Display anzeigen lassen. Erschließt sich alles nicht intuitiv, hat mich während der Fahrt ziemlich abgelenkt und wie es im Detail bedient wird, habe ich längst wieder vergessen. Ich habe gelegentlich den Eindruck, dass der Sicherheitsgewinn an der einen Stelle an der anderen manchmal etwas fahrlässig wieder aufgegeben wird.
Wo die Technik hilft
Eine Freude ist dagegen der adaptive Tempomat. Der funktioniert einwandfrei, verzögert wirksam und beschleunigt unverzüglich, so wie es der vorausfahrende Verkehr erlaubt. Die Informationen zur eigenen Geschwindigkeit, zur Geschwindigkeit des vorausfahrenden und der Abstand in Metern werden bei eingeschaltetem Tempomat in einer animierten Darstellung zentral und groß im Display angezeigt. Das machen inzwischen alle namhaften Hersteller ähnlich, aber die Schwaben haben hier bei der Übersichtlichkeit und Ablesbarkeit klar die Nase vorn.
Wer täglich die Autobahn oder Kraftfahrstraßen benutzt, weiß, dass die Frage nach dem nötigen Abstand inzwischen ein permanenter Begleiter auf der Fahrt ist. Einerseits der hohen Kontrolldichte auf vielbefahrenen Abschnitten wegen, aber auch weil Überholverbote manchen eher zur Empfehlung denn zum Gebot gereichen. Immer wieder fahren überholende LKW in den Sicherheitsabstand oder müssen PKW vor der nahenden Ausfahrt noch vorbei und knapp einscheren, bevor sie von der Autobahn abfahren.
Den Notbremsassistenten habe ich dabei nicht ausprobieren müssen. Der soll aber, nach Herstellerangaben, in höchstem Maße zuverlässig funktionieren. Mehr als 10.000 eingeleitete Notbremsungen will man dort schon registriert haben. Ich weiß nicht recht, ob mich das beruhigt, oder nicht vielleicht doch besser etliche Fahrer ihre Fahrweise überprüfen sollten. Dennoch spricht nichts gegen diese Funktion, und ich klopfe auf Holz, dass ich sie dennoch nie brauchen werde.
Ohne den Fahrer geht es nicht
Nicht alle adaptiven Temporegler sind auf der Höhe der Zeit. Sie beherrschen zwar das Hinterherfahren, regeln aber nicht immer adäquat. Ohne genaue Daten über Abstand und Geschwindigkeit des Vorausfahrenden muss man ständig nachregeln. Schert etwa ein PKW knapp ein und ist nur wenig schneller, beschleunigt die Maschine unter Umständen noch. Wenn nur die Geschwindigkeit die Regelgröße vorgibt, reichen die Systeme nicht aus und es bleibt, was die Entfernung angeht nur die grobe Schätzung per Leitpfosten am Rand. Eine echte Entlastung ist das dann nicht.
Ein weiteres Beispiel: Beim MAN TGX ist die neueste Fahrzeuggeneration mit Sensoren an den Seiten ausgestattet. Diese registrieren Hindernisse entlang der Fahrzeugseiten auch entlang eines Aufliegers und signalisieren Gefahren über Warndreiecke in den Spiegeln, so wie viele dies vom PKW kennen. Das soll Unfällen beim Abbiegen oder Spurwechseln vorbeugen. Ein solches System habe ich zuletzt mal ein paar Tage nutzen können und ehrlich gesagt habe ich die kleinen Helferlein gar nicht bemerkt. Vielleicht schaue ich auch zu gern viel in meine Spiegel. Allein auf die Anzeige im Spiegel würde ich mich niemals verlassen, schon gar nicht nachts bei einem Überholvorgang.
So erging es mir auch mit den Kamerasystemen anstelle der Außenspiegel. Die Sicht an der A-Säule vorbei ist natürlich deutlich besser, da verschwindet kein anderes Fahrzeug mehr im toten Winkel. Dennoch entsteht im Kamerabild bei der Sicht nach hinten manchmal wildes Mäusekino, wenn eben auch Warndreiecke auftauchen und Entfernungslinien eingeblendet werden, die man ad Hoc nicht deuten kann. Informationen, die ablenken, sind keine guten Informationen. Auch hier muss erst das Bordbuch studiert werden, um das System zu verstehen.
Die Kameraspiegel sollen auch beim rückwärts Rangieren ein Sicherheitsgewinn sein, weil sie das Ende des Trailers immer im Blick haben. Das ist aber eigentlich auch im gewöhnlichen Weitwinkelspiegel möglich und nur so gut wie auch die Lichtverhältnisse sind. Mit dem Kopf aus dem Fenster und dem Blick nach hinten geht das alles schneller und einfacher, weil der Kopf die Bildinformation schneller in adäquate Lenk- und Fahrbewegungen umsetzen kann. Mich haben zudem die Lichtreflexe gestört, die moderne PKW-Scheinwerfer mit LED-Leuchten im Kamerabild auslösen. Auf langen Strecken in der Nacht dürfte das ein echtes Ärgernis sein und vielleicht ermüdet es die Fahreraugen sogar.
Apropos Müdigkeit. Der Bayer hatte einen solchen Warner an Bord und hat mir ein, zwei Mal signalisiert, ich sollte doch mal auf den Parkplatz fahren. Ich war am Tage im Nahverkehr auf der Autobahn unterwegs. Er hat es sicher gut gemeint, aber ich konnte das guten Gewissens ignorieren. So ist das meistens auch mit den Spurverlassenswarnern. Die Brummen folgenlos vor sich hin. Gerade in den kleinen Fahrzeugklassen zwischen 12 und 18 Tonnen können sie auf winkeligen Landstraßen, bei denen man die eine oder andere Kurve nicht ganz sauber ausfährt, echt nervig sein. Und ich habe schon erlebt, dass eine Reparaturfuge im Straßenbelag das Brummen auslöst. Die Folge ist, dass diese Systeme regelmäßig ausgeschaltet werden. Der beste Müdigkeitswarner sollte jedenfalls derjenige am Lenker selbst sein, schon um des Erhalts von Leib und Leben wegen. Wer schon mal Sekundenschlaf hatte, weiß das und sollte entsprechend handeln.
Auf die Leistungsfähigkeit kommt es an
Spurhalteassistenten der neuesten Generation dagegen können schon ein bisschen mehr und unterstützen den Fahrer mit autonomen Lenkeingriffen über elektrohydraulische Steuerungen. Das reicht sogar, um sanft geschwungene Autobahnkurven in der Spur zu durchfahren. Das darf nicht dazu führen, trotz Übermüdung noch ein Stück weiter zu fahren, weil es die Maschine schon richtet. Den „Totmannknopf“ wie im ICE gibt es auch in den neuesten LKW noch nicht. Wäre vermutlich bei der immer weiter anschwellenden Verkehrsdichte auch nicht hilfreich.
Denn auch die Notbremsassistenten sind von unterschiedlichster Güte. Oftmals sind ohnehin bloß Kollisionswarner verbaut. Und die haben selten so etwas wie eine verlässliche Hinderniserkennung, geschweige denn eine Fußgängererkennung. Und so brummen und piepen sie nicht selten, wenn man auf einen Fahrbahnteiler oder eine Fußgängerfuhrt zufährt, die sich mit einer Warnbake zu erkennen gibt. Das gleiche gilt für Kurvenrichtungsbaken, wie sie an Landstraßen aufgestellt werden. Wenn ein solches System mit mäßiger Messvorrichtung mit einem Notbremsassistenten kombiniert sind, wird es für den nachfolgenden Verkehr im Einzelfall gefährlich. Passiert nicht so oft, meist sind es schlechte Wetterverhältnisse, die die Sensoren irritieren.
Die technische Leistungsfähigkeit ist übrigens auch das Kernkriterium für die Abbiegeassistenten. Kameras und Bildschirme sind derzeit noch von unterschiedlicher Qualität und geben verschiedenste Informationen an den Fahrer weiter. Darunter sind Systeme, die jedes Hindernis, auch Ampelmasten und Verkehrsschilder, in ihre Messung einbeziehen und deswegen kryptische Zahlenwerte, mäßig interpretierbare Leuchtanzeigen und unangenehme akustische Warnungen ausgeben. Auch wenn kein Fußgänger oder Radfahrer in der Nähe ist.
Bessere Lösungen bieten ein klares Abbild vom Raum rechts des Fahrzeugs und verfügen zudem auch über akustische Rückmeldungen dessen, ob sich dort etwas befindet. Neulich hatte ich in einer Großstadt eine Gruppe Kinder im Grundschulalter auf Fahrrädern neben dem Fahrzeug. An einer Ampel stehend habe ich sie zuerst über einen Akustikverstärker im System gehört, bevor ich sie klar erkennen konnte. Eine Schwäche haben alle diese Systeme: sieht man im Spiegel schlecht, weil zum Beispiel die Sonne tief steht oder es aus Kübeln regnet, sieht auch die Kamera schlecht.
Ein Blick in die Zukunft
Ein klares Fazit über die technische Unterstützung lässt sich noch nicht fassen. Gute Systeme im Zusammenspiel mit dem Fahrer machen manches unterwegs leichter und angenehmer. Sie bringen gewisse Sicherheitsreserven über die Reaktionsfähigkeiten des Fahrers hinaus.
Manches dagegen irritiert oder lenkt sogar ab. Das wichtigste Kriterium für die eigene Fahrweise bleibt deswegen angepasste Fahrweise, maximale Umsicht und eine gute, konzentrierte Vorausschau während der Fahrt.
Viele Systeme haben noch Luft, bis sie wirkliche Unterstützung bieten. Doch der Ausblick ist vielversprechend und weist schon in Richtung des autonomen Fahrens. Schon heute können Fahrzeuge GPS-Daten und 3D Kartendaten als Umgebungsfaktoren in die Motorsteuerung einbeziehen und setzen dies als Fahrempfehlung vor einer Kreuzung, einem Kreisel oder einer scharfen Kurve mit Geschwindigkeitsanpassungen selbsttätig um. Eigentlich dient das dem ökonomischen Fahren, könnte aber für das nötige Vertrauen in autonome Systeme sorgen. Viele von den heutigen Helferlein sind dafür aber noch nicht gut genug.
Was haltet Ihr von technischen Hilfssystemen in Eurem Truck? Erzählt es uns in den Kommentaren!
Fotonachweis: © MAN Truck & Bus SE / © Daimler Global Media Site

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Das Ganze ist immer nur so toll, solange es ohne Störungen reibungsfrei funktioniert. Doch gerade jetzt im Winter sind die Technischen Dinge aufgrund von Kälte, Verschmutzung usw. oftmals Nutzlos.
Gerade die Abstandshalter benötigen einen Sauberen Sensor. Der ist bei fast jedem LKW so ungünstig angebracht, das er schnell Verdreckt und somit auch nicht mehr Funktioniert.
Das Problem hatte ich auf der letzten IAA mal bei Mercedes angesprochen, dass während der Fahrt der Sensor für den Abstandshalter kontinuierlich im Winter vereist. Warum man denn da keine „Heizung“ hinter bauen würde, war meine Frage. Als Antwort kam nur: Das wollen wir nicht. Eine Begründung gab es nicht.
Somit bleibt es dabei. Die Beste Technik bringt nur solange etwas, wie Sie auch funktioniert.