Das roatel – ein Mikrohotel für Berufskraftfahrer

von | 22. Nov. 2021

Der Parkplatzmangel entlang der deutschen Autobahnen und wenige Schlafmöglichkeiten unterwegs fordern neue Lösungen in den Logistik- und Speditionsbranchen. Eine wichtige Lösung bietet „roatel“ mit Mini-Unterkünften entlang der deutschen Straßen.

Im Gespräch mit Christian Theisen, einem der drei Gründer und Geschäftsführer, erfahren wir mehr über das Konzept und die Idee des roatels.

Was ist ein roatel?

Christian Theisen: roatel ist erst einmal ein Kunstbegriff, eine Mischung aus den Begriffen „Hotel“ und „Road“. „roatel“ ist also ein Hotel an der Straße. Es ist eine Übernachtungsmöglichkeit, die speziell auf LKW-Fahrer und LKW-Fahrerinnen zugeschnitten ist, die an der Autobahn übernachten sollen und wollen.

Wie ist die Idee eines Mikrohotels entstanden?

Christian Theisen: Wir hatten vor 2-3 Jahren ein Projekt mit „Tank & Rast“ und waren oft vor Ort auf Autobahnraststätten, wo uns speziell die Parkproblematik aufgefallen ist. Darüber hinaus haben wir mitbekommen, dass es auf der EU-Ebene eine Gesetzesänderung geben soll, wodurch den Berufskraftfahrern europaweit verboten wird, ihre wöchentliche Ruhezeit in ihrem LKW zu verbringen. Dies wurde dann 2020 vom EU-Parlament verabschiedet. Gleichzeitig gibt es keine Hotelzimmer beziehungsweise Übernachtungsmöglichkeiten an den Autobahnen. Also haben wir uns gedacht: OK, lass uns doch nach einer Lösung suchen und an den Autobahnen Mikrohotels aufstellen.

Wie ist ein roatel aufgebaut?

Christian Theisen: Zuerst haben wir versucht, jemanden zu finden, der überhaupt Hotelcontainer verkaufen kann und haben dann relativ schnell festgestellt, dass es das, was wir haben wollen, eigentlich gar nicht gibt. Unsere Vorstellung war immer, dass wir in einen Übersee-Container vier Zimmer jeweils mit einem eigenen Duschbad und WC einbauen. Deswegen haben wir das roatel mit Ingenieuren und Architekten selbst konzipiert und einen Prototyp gebaut. Nachdem der dann fertig war, sind wir in die Serienproduktion gegangen.

Und wo kommen die Container her?

Christian Theisen: Die Container selbst sind schon gebraucht und werden durch uns wiederverwertet. Dafür haben wir einen Lieferanten in Niedersachsen, der sie für uns aufbereitet und ausbaut. Natürlich prüfen wir vorab, ob die Container noch im bestmöglichen Zustand sind, aber rein theoretisch könnte man jeden Container, auch ganz alte Container, nehmen. Man muss nur aufpassen, dass sie nicht zu stark beschädigt sind. Wir achten schon darauf, dass die Container möglichst neuwertig sind.

Sind die Container, die Sie für roatel verwenden, witterungsbeständig?

Christian Theisen: Da sie aus Cortenstahl bestehen, auf jeden Fall. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass die Container ca. 70 bis 80 Jahre haltbar sind. Sie werden von uns auch noch einmal überlackiert. In ihrer Funktion als Mikrohotel sind sie mindestens zehn Jahre lang verwendbar.

Wie viele roatels gibt es aktuell?

Christian Theisen: Es stehen zurzeit zwei roatels in Deutschland und wir bauen gerade acht weitere Standorte auf, um die Markteinführung zu beschleunigen. Bei dem Bau eines roatels müssen wir, wie bei einem normalen Hausbau, eine Baugenehmigung beantragen und können aus diesem Grund nicht so schnell expandieren, wie wir gerne möchten. Unser Geschäftsmodell ist unser Standortpartnerkonzept. Das bedeutet, dass der Eigentümer, beispielsweise eines Autohofes, das roatel nicht kaufen muss. Wir stellen es kostenfrei auf sein Grundstück und betreiben es so, dass der Eigentümer sich um nichts kümmern muss. Er verpachtet also einen Teil des Grundstücks an uns und bekommt dafür eine Pacht.

Wo stehen die roatels genau in Deutschland?

Christian Theisen: In Deutschland steht eines zurzeit in Löningen und eines bei Magdeburg. Die nächsten roatels werden gerade in Lutterberg und in Bremen in Betrieb genommen. Die weiteren Standorte sind noch in Planung. Grundsätzlich versuchen wir die roatels deutschlandweit zu platzieren, damit unsere Kunden überall eine Unterkunft finden können.

Welche Problematik möchten Sie mit der Idee des roatels lösen?

Christian Theisen: Das Problem ist bekannt, dass die Berufskraftfahrer, gerade aus den osteuropäischen Ländern, zu ganz schlechten Bedingungen übernachten müssen. Wir haben uns eine Lösung ausgedacht, die eine deutliche Verbesserung dieser Lebensumstände darstellt. Wir wollten keine Container mit Mehrbetten und einer Sammeldusche hinstellen, sondern ein kleines Zimmer zum Erholen, ich würde schon fast sagen, ein Luxuszimmer. Wir aus Management und Vertrieb haben schon selbst mehrfach dort geschlafen und können es nur empfehlen. Grundsätzlich möchten wir eine hochwertige Lösung für die Kraftfahrer bieten, damit die ihre Ruhezeit mit Genuss verbringen und anschließend ausgeruht und sicher weiterfahren können.

Wie buchen die Kunden das roatel? Wie funktioniert der Buchungsprozess?

Christian Theisen: Wir haben eine eigene Buchungsplattform gebaut, die man über unsere Webseite roatel.de aufrufen kann. Das kann der Fahrer selbst machen, über das Smartphone zum Beispiel. Oder der Disponent eines Speditionsunternehmens plant die Übernachtungen für seine Fahrer. Anschließend erhält man eine Buchungsbestätigung per E-Mail. Wenn der Online-Check-in erfolgt ist, senden wir den digitalen Zimmerschlüssel auf das Smartphone des Gastes und der kann mit einem Click die Tür öffnen. Dort wartet dann schon das frisch gemachte Bett.

Also funktionieren die Buchung und das Ein- und Auschecken kontaktlos?

Christian Theisen: Ja genau, das lief in der ersten Corona-Hochphase ganz prima und war sehr gefragt, weil man zu den anderen Gästen keinen Kontakt hat. Wir haben auch keine Rezeption, es kann alles online geschehen und nachdem man im roatel übernachtet hat, zieht man nur die Tür hinter sich zu und ist dann auch wieder weg.

Wie sehen die Sicherheitsmaßnahmen beim roatel aus?

Christian Theisen: Das ist ein Aspekt, mit welchem wir auch punkten wollen. In so einen Container einzubrechen wird schon schwierig. Wir haben alles dreifach verglast, einbruchsichere Türen verbaut und haben Kamerasysteme außen vor den Türen installiert. Der Sicherheitsaspekt ist sehr wichtig und auch vielleicht eine Möglichkeit, Frauen für den Beruf der Kraftfahrerin zu begeistern. Wir haben also auf die Sicherheit im roatel sehr viel Wert gelegt.

Was ist das Besondere an einem roatel? Gibt es noch etwas, abgesehen vom Überseecontainer und schön eingerichteten Einzelzimmern, die das roatel ausmachen?

Christian Theisen: Wir möchten unseren Kunden, z.B. den Speditionsunternehmen, eine einfache Möglichkeit bieten, die Übernachtungsmöglichkeiten für mehrere Mitarbeiter gleichzeitig für mehrere Strecken zu buchen. Ein entsprechendes Web-Tool soll die Disponierung vereinfachen. Bei unseren roatels ist natürlich auch immer ein LKW-Stellplatz dabei. Wenn der Fahrer beispielsweise über eine andere Plattform eine Unterkunft sucht, wird er vielleicht ein Zimmer, aber wahrscheinlich keinen Stellplatz für seinen Truck finden. Die Zimmer sind mit gerade mal 7,5 qm zwar recht klein, dafür wirken sie aber sehr geräumig, weil wir extra hohe Container verwenden und große Fenster einbauen. Zudem nehmen die Fahrer meistens nur eine Tasche mit und haben einen Kühlschrank in ihrem LKW. Dadurch konnten wir Kleiderschrank und Küche einsparen. Wir konzentrieren uns auf das Wesentliche. Und das sind auch die geräumige Dusche, das eigene WC, kostenloses WiFi und SatTV. Also rundum ist es eine gute Sache, was wir unseren Gästen anbieten können.

Gibt es neben den Berufskraftfahrern auch andere Kunden, die das roatel nutzen? Ist das auch was für Privatpersonen?

Christian Theisen: Wir hatten tatsächlich schon Anfragen von Privatpersonen, die ein Zimmer auch zu zweit mieten wollten, allerdings haben wir nur Einzelbetten. Es gibt viele Monteure und Handwerker, die das Angebot nutzen, teilweise wird sogar ein Zimmer für die ganze Woche gebucht, wenn ein Monteur zum Beispiel eine Woche in einem Gebiet arbeiten muss. Wir durften auch Pendler schon als Gäste begrüßen, also scheint das roatel eine gute Alternative für diejenigen zu sein, die nicht gerade von der Autobahn abfahren möchten, um dann im nächstgelegenen Ort nach einer Unterkunft zu suchen. Auch wenn man eine längere Reise vor sich hat und dann auf der halben Strecke nur 4-5 Stunden schlafen möchte, ist das roatel eine gute Alternative zu einer Rast im unbequemen Auto auf dem Parkplatz.

Was sind Ihre Zukunftspläne? Möchten Sie mit roatel außerhalb Deutschlands expandieren?

Christian Theisen: Wir möchten in Deutschland in den nächsten Jahren 600 roatels aufbauen, das ist unser Ziel. Wir haben aber auch schon konkrete Anfragen aus den Nachbarländern, vor allem aus Frankreich, Polen, Österreich und den Benelux-Staaten. Aktuell überlegen wir, wie wir das parallel angehen sollen, im Ausland sind die Voraussetzungen natürlich teilweise etwas anders als in Deutschland. Ich denke, dass wir vielleicht schon im kommenden Jahr in einem weiteren Land vertreten sein werden.

Habt ihr schon mal in einem Mikro-Hotel übernachtet? Falls ja, wie sind eure Erfahrungen? Erzählt es uns in den Kommentaren!

Fotonachweis: © roatel

Habt ihr schon mal in einem Mikrohotel übernachtet?

2 Kommentare

  1. Ganz tolles Konzept. Hochwertige Zimmer, einfacher Online-Check-In und sehr preiswert.
    Sehr empfehlenswert. Dieses Konzept wird sich, nicht nur in Deutschland, etablieren.

    Antworten
    • Ich habe eine Probe Übernachtung im GVZ Bremen gemacht. Bin mit einem Reporter und Ton Technikerin von Buten un Binnen vorher eine Runde durch das GVZ Bremen gefahren und wurde dabei Interviewt. Ich würde das Zimmer der Lkw Kabine am Wochenende immer wieder vorziehen.

      Antworten

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Das könnte Dich auch interessieren: